Würden Sie einen Lehrling nehmen, der nicht aufräumt?!
Scheiße! Da habe ich mich doch nicht etwa heute von einem Transvestiten dazu verleiten lassen direkt zum Feierabend zu gehen, ohne den Pappkarton in den Container zu schaffen und ohne meinen Abfalleimer zu entsorgen. Bin ich des Wahnsinns??? Von Sinnen??? Total bekloppt??? Das kanns doch echt nicht geben! Da quasselt der mich den halben Tag voll, von wegen sein Theater hätte zu gemacht und dass er auf drei letzten Konzerten von Howard Carpendale war, dass er gar nicht an Sex mit einer Frau denken mag, weil es ihn dann schon schüttelt (er ist homosexuell) und wie er sich von seinem Verlobten trennte, obwohl er immer noch verliebt in ihn ist, was auch das Problem darstellt (er warf die Verlobungsringe auf den Boden und schlug mit einem Hammer auf sie ein).
Und dann vertraue ich dem Typen meine Zukunft an, indem ich nicht aufräume, weil es ja Feierabend ist?! Was soll man dazu noch sagen? Habe ich Probleme oder was?!
Der Flieder blüht.

Ist es seltsam kurz bevor man schlafen geht sein Bettzeug so zu legen, dass man nur noch unter die Decke schlüpfen muss? Oder ist es eher seltsam schon ins Bett zu gehen während es draußen noch hell ist?
Ich habe keine Ahnung, ich weiß nur, dass ich unendlich müde bin und das Murmeltier für sich murmeln lasse, obwohl der Murmeltierfilm zu einem meiner absoluten Lieblingsfilme zählt.
Derzeit habe ich noch das Gefühl mich absolut dusselig anzustellen, das ist aber auch alles so riesig groß dort! Ich habe meinen eigenen Spind! das muss man sich mal vorstellen: meinen eigenen Spind!!! Es gibt WC's und Duschen (apropo: hier herrschte eben solch ein umwerfender Wasserdruck vor, dass man von einem Tropfen zum Nächsten springen musste und das alles lauwarm -> Gott sei Dank will ich erst morgen Haare waschen).
Ich hoffe so sehr, dass die mich übernehmen, wenn ich mich halt nicht allzu blöde mache.

Manchmal verändert sich das Leben innerhalb eines Lidschlages.

Da sitze ich heute unbedarft im Sozialkundeunterricht (der alte, dicke, geschwätzige Mann ist leider wieder da), die Thematik lautet 'Staatsorgane' und der Lehrer macht mal wieder eine seiner langatmigen Ausführungen...
Ganz plötzlich und es ist noch ziemlich am Beginn der Stunde fängt es in meinem Hals an zu krabbeln. das Krabbeln wird immer stärker, bis ich es nicht mehr aushalte und loshusten muss, erst leise und zurückhaltend, dann immer lauter und intensiver. Ich merke schon, dass ich nichts mehr sagen kann, ohne losheulen zu müssen (es handelt sich um dieses Krabbeln, was auftritt, wenn einem was hinter der Mandel klemmt). Der Lehrer stellt ab und zu mal Fragen. Ich bete, dass er mich nicht dran nimmt, nicht nur weil ich das Meiste nicht weiß (Miguel verabscheute dieses a-politische Verhalten, wie er es nannte), sondern weil ich nichts sagen könnte.
Die Situation: ich versuche krampfhaftest meine Mandeln unter Kontrolle zu bringen, da fragt der in die Klasse, wer denn zwei Mal Bundespräsident gewesen wäre. Schweigen. Er kommt auf mich zu und meint. 'Na Fräulein!' Ich hocke in meiner Bank, glubsche ihn aus kugelrunden Augen an, muss losprusten und weiß die Antwort. Der Lehrer denkt ich simuliere, dreht sich weg und sieht nicht wie mir die Tränen in die Augen schießen vor krabbeln.
Es war Weizäcker man!!!
Mein Vordermann antwortete statt meiner...

Jetzt steige ich noch zur 'Problemzierpflanze' der Stadt auf: ein berühmter Betrieb, bei welchem ich mich auch beworben habe, der mich allerdings ablehnte, möchte heute abend mein Anliegen innnerhalb einer Gärtnerversammlung vortragen. Sie sind doch alles keine Unmenschen.
Und wenn ich keinen Lehrbetrieb bekommen sollte, dann kennt doch zumindest jeder Gärtner, der diesen Abend auf jeweiliger Versammlung war meinen Namen und mein Schicksal.

heutiges Ergebnis: zwei Absagen, eine Neubewerbung...

Schlimmer geht immer: ohne Betrieb (ich sprach eben mit der Frau vom Amt für Landwirtschaft) darf ich aus rechtlichen Gründen nicht an der theoretischen Zwischenprüfung teilnehmen.
Ende und Aus, nichts mit einer Gärtnerkarriere...

Manchmal kommt man an so Stellen, da ist die Luft erfüllt vom süßen Duft blühender Bäume. In der Nacht ist das noch ein bisschen was anderes als am Tage. Da bekommt die Fantasie Flügel, der Verstand einen Käfig und die Sehnsucht beginnt zu brennen.
Dann frage ich mich, was mich überhaupt noch hier hält: der Mitbewohner von Thoralf, für den ich diese bekannte kleine Schwäche hege, was mich heute selbst etwas verwunderte, als ich ihn da so mit seinen Kumpels in einem übelst qualmigen Zimmer vor dem Fernseher sitzend Fußball sehen sah. Ich meine, Fußball ok, aber nachher sahen die noch diese Interviews. Und das, das ist eine Sache, die ich nun gar nicht nachvollziehen kann, aber naja.
Oder Miguel, für den ich den Äquator rückwärts umrunden würde, den es allerdings auch nicht interessiert wie mein Gespräch heute gelaufen ist.
Meine Familie, ja, aber die würden es zum hundersten mal verstehen, mich für total übergeschnbappt erklären und doch ziehen lassen. Karli würde ich mitnehmen, ganz klar. Und Thoralf, ich glaube er käme auch ohne mich ganz gut zurecht und immerhin gäbe es da ja noch das Internet und dann würde ich ihn bestimmt zum Urlaub einladen!
Was hält mich also?! Vielleicht die Vernunft. Oder ist es die Vernunft, die mich zu solch Überlegungen treibt? Vielleicht auch die Hoffnung, dass es für mich hier doch eine Zukunft gibt. Vielleicht die Angst vor dem Neuen. Vielleicht auch einfach die Tatsache, dass ich mich hier doch ganz wohl fühle und mich die derzeitige Situation ein bisschen aus der Fassung bringt.
Ich sehe mein Spiegelbild im Fenster und gerade eben wundere ich mich, dass dieses Bild zu mir gehört.

Es war ein sehr netter abend bei Thoralf.

Ich bin müde.

Ich gehe ins Bett!