13
Jan
2005

Schulweg

Einer miener Mitschüler, den ich mit zu einem meiner engsten Vertrauten zähle, und ich saßen heute nachmittag abgekämpft vom Schultag in der Straßenbahn Richtung Stadt (ich weiß nicht, vielleicht sind 'Grüne Schulen' immer mehr am Stadtrand gelegen...). Da meinte er plötzlich er wüsste nicht wohin sich orientieren: zu welcher Art von Leuten. In einer Klasse ist es ja nunmal immer so, dass es die absolut angesagten, die eher weniger angesagten und die Marsianer gibt. In diesem Fall teile ich mich in die Gruppe der Marsianer ein: ich schreibe gute Noten, ich hänge in den Pausen nicht draußen auf dem Gang rum, ich renne auch nicht jede freie Minute auf den Hof um den Rauchern beim Rauchen Gesellschaft zu leisten, ich hole mir noch nicht mal'nen Kaffee an diesem scheußlichen Kaffeeautomaten. Ich bin einfach da, werde akzeptiert (denke ich zumindest), lese in den Pausen informative Zeitschriften, versuche meine Banknachbarin von der totalen Kapitulation aufzuhalten, quatsche mit meinen hinteren Bankmännern über Gott und die Welt, sehe aber den Zweck des Schulbesuches immer noch in der Erlangung wichtiger theoretischer Kenntnisse, die die praktische Berufsausbildung komplettieren sollen. Dieser Junge gehört zu denen, die hinter mir sitzen.
Über seinen Banknachbarn würde behauptet werden er wäre schwul. Er möchte nicht immer nur drinnen im Zimmer rumsitzen, weshalb er heute mal mit auf den Gang gegangen wäre. Da wäre ihm selber schon aufgefallen, dass er seltsame Sprüche gemacht hätte und das die anderen beiden aus unserer Klasse sich eigentlich nur über ihn und andere lustig gemacht hätten, so auch über seinen Banknachbarn.
Ich glaube jeder kennt die Phasen, in denen man einfach anders sein will, sich umorientieren, in eine andere Richtung entwickeln, schlicht einfach zu den Angesagten gehören (insofern man gehört nicht dazu). Mich selbst konnte ich lange Zeit selber in die Gruppe der weniger angesagten einordnen. Unterdessen würde ich mich eher als Marsianer bezeichnen. Man wird akzeptiert und nach seiner Meinung gefragt (ja und wenn mal nicht, dann sagt man sie halt ungefragt), man bindet sich selber nicht mehr in irgendeine Gruppierung ein und wird manchmal schräg, oder verwundert angesehen. Nicht, dass ich nie Probleme damit gehabt hätte nicht zu den Highlights der Klasse zu gehören! Unterdessen ist mir aber bewusst geworden, dass ich meine Zeit mit den Menschen verbringen möchte, bei denen ich mich wohl fühle, mit denen ich ungeniert quasseln kann, die über meine Witze lachen, bei denen ich auch mal schlecht drauf sein kann, die mich aber immer wieder ins Leben zurückholen. Und wenn das halt unangesagte, oder Marsianer sind, dann sind sie es halt. Und sollte der Typ schwul sein, mein Gott, dann ist er es halt. Wird er deshalb ein anderer Mensch???
Das sagte ich ihm dann auch so, oder so ähnlich. Mal sehen was er draus macht.

In dieser Bahn sah ich heute auch einen jungen Mann. Er saß so, dass ich sein Gesicht sehen konnte. Er hatte kurzes krauses Blondhaar und eine Brille auf und kuckte ab und zu verstohlen in seinen Hefter, den er aus einem blauen Rucksack gefischt hatte. Ihm gegenüber saß ein Mann mit einem Kind (das Kind war vielleicht drei). Der Mann beschäftigte sich zugegeben sehr intensiv mit dem Kind, auf jeden Fall so, dass mir es sogar auffiel (obwohl mir solche Sachen sonst extrem egal sind, so Sachen mit kleinen Kindern, außer sie brüllen rum). Aber dem jungen Mann mit dem Hefter schien es zu gefallen, denn er sah den beiden zu und lachte. Das machte mich aufmerksam. Überhaupt schien der Typ ein aufmerksamer Beobachter zu sein: ein- und aussteigende Fahrgäste, die Umgebung die draußen vorbeischoss und immer weiteten sich seine Augen, wenn er etwas für sich verwunderliches sah. Er erinnerte mich sehr an mich. Leider stieg er mit meinem Mitschüler aus.

12
Jan
2005

ein zweiter Name für meinen besten Freund

Ach wie schön, morgen kommt mein bester Freund zu mir fernsehen :-) Es gibt 'Das Experiment', den ich echt noch nienieniemals gesehen habe, obwohl Moritz Bleibtreu mitspielt und der echt Hammer ist.

Letzten Freitag stöhnte mein bester Freund darüber, dass er keinen zweiten Vornamen hat (wo ich sogar einen aufweisen kann) und wir überlegten mindestens den halben abend, wie sein zweiter Vorname lauten könnte. Schlussendlich wäre ich für Johannes gewesen. Mein bester Freund konnte sich allerdings nicht recht entscheiden, ob nun Joel, oder ein Name mit K, oder T das Rennen macht.
Hiermit bekommt er bei mir den Zweitnamen Thoralf. (Ich hätte nie gedacht, dass es ein abendfüllendes Programm geben kann, für eine Person, die eigentlich schon ihren Namen hat, einen zweiten Namen zu finden.)

Arbeitsamt und Bäume umarmen

Ich muss immer wieder feststellen, dass so'n ICQ richtig cool ist.
Man kann mal schnell ein bisschen abschwafeln und nebenbei noch so andere Sachen machen, und wenn man mal nicht weiß, kann man an irgendeine im Raum stehende Person sein Problem abfeuern. Ja, emm, das dazu, ich musste es nur mal gerade erwähnen.

Da raffte ich mich heute morgen um neun doch tatsächlich auf mein Bett mein Bett sein zu lassen, ihm sozusagen die kalte Schulter zu zeigen, um in den Tag, d.h. zum Arbeitsamt durchzustarten. Also schlurxte ich ins Bad, wo ich versuchte einen halbwegs anständigen Menschen aus mir zu machen, während das Wasser für den Tee heiß lief und das Brötchen auf dem Toster still vor sich hinkohlte. Nach einem doch noch herzerweichendem Frühstück stieg ich auf mein Stahlross und kurvte Richtung Arbeitsamt davon. (Oh, mein Mitbewohner kommt gerade nach Hause -> so'n Fensterplatz ist schon was feines *g*). Irgendwie habe ich immer ein absonderliches Gefühl beim Besuch solcher Etablissiments, auch wenn es sich bei meinem Ersuchen nur um den Antrag auf Ausbildungsbeihilfe handelt.
Die Dame am Empfang saß einer Diva gleich auf ihrem Schemel, als ich jedoch hinzutrat und meine Frage stellte schwoll sie an wie ein Ochsenfrosch mit Rauschgoldengelfrisur und gab mir in einem Ton, wie ein König seinen Stallburschen (insofern der König kannte seine Stallburschen überhaupt) ansprechen würde, die Richtung. Es war ein nicht enden wollender Gang, der sich kantig durch den Bauch des Gebäudes schlängelte. Am Ende wusste ich zwar nicht mehr wo ich mich befand (groteskerweise kann man sich nicht wirklich verlaufen, da ein Arbeitsamt Gebäude so aufgebaut ist, dass es immer nur einen langen Gang gibt, dem man eigentlich nur folgen muss -> das ist zumindest meine Theorie), stand aber vor betreffender Tür, wo ich anklopfte und stehen blieb und stehen blieb, bis mir dann ein Typ, der da so rumsaß (die Besucher des Arbeitsamtes sitzen glaub ich immer nur rum) mitteilte ich könne durchaus reingehen. Nachdem ich dem Hinweis mit einem Kopfnicken nachkam, wurde ich drinnen nach Namen und Hauptwohnsitz befragt, wonach ich die Auskunft erhielt ich müsse den Antrag bei dem Arbeitsamt stellen, wo sich mein erster Hauptwohnsitz befunden hat. Mit einem 'ach, das tut mir aber leid, wussten sie das etwa nicht'-Gesicht wurde ich verabschiedet.
Draußen dann stand ich erstmal ein bisschen bedröppelt rum, bis ich mich entschloss durch die Innenstadt zu fahren und am Fluss zurück nach Hause. Unterwegs entdeckte ich noch einige willige Exemplare für mein Herbarium (u.a. eine blühende Kamille und eine blühende Taubnessel). Dabei stellte ich für mich fest, dass es mir anfängt richtig Spaß zu machen, die Pflanzen für das Herbarium zu sammeln, was zu dieser Jahreszeit nicht allzu einfach ist. Man muss sich ganz schön konzentrieren. Am Ende ist es wie Pilze suchen: wenn man einmal gefunden hat geht es besser. Unterdessem liegen sie ganz entspannt in der Presse, d.h. in meinem Bücherschrank unter unmengen Büchern.
Nach einem Suppenmittagessen zu Hause wollte ich weiter in den Botanischen Garten, diesmal aber mit der Bahn. Als ich 15.30 vor den Toren stand schlossen diese auch gerade, was mich nicht verdriesen ließ und ich eine Runde durch den Großen Garten drehte. Dabei sah ich einen Baum. Seine Rinde war so markant, dass ich sie unbedingt fühlen musste. Ich strich mit meiner Hand den Stamm entlang und wurde plötzlich von dem Verlangen gepackt mich an den Baum zu lehnen. Ich kuckte nochmal, ob niemand in der Nähe war und lehnte erst nur meine Stirn an die rauhe Rinde des Baumes, bis ich mich eng an ihn schmiegte und meine Arme um ihn schlang. 'Baumumarmungssession', so nannte ich das früher. Es war das erste Mal seit langer langer Zeit, dass ich es wieder getan habe, ich glaube seitdem ich hier lebe überhaupt das erste Mal wieder.
Auch dieser Ausflug endete mit einer erfolgreichen Pflanzen-für's-Herbarium-Sammel-Aktion. Immerhin zwei, und darunter ein Silberblatt.
Blöderweise bin ich jetzt total matt und schläfrig und muss doch morgen wieder zur Schule und noch meinen Rucksack einpacken und Stullen schmieren und duschen, inklusive Haare waschen (man will ja wirken...) und so noch ein paar Sachen machen (ich werde das Gefühl nicht los für Sozialkunde nicht wirklich gewappnet zu sein).

Heimweg

Ist die Welt anders wenn es Nacht wird, oder sehe ich sie nur anders??? Wenn der Himmel in seinem tiefsten Blau über den Dächern steht und seine hunderttausendunzähligen Sterne über unseren Köpfen ausschüttet, wenn die Vögel schlafen und der Fluss verstummt, wenn ich mir vorkomme wie ein Hobbit und ein junger, bezopfter Plakatkleber wie ein Zwerg. Wenn ich auf verlassenen Straßen ängstlich werde und das Quietschen der Kette meines Fahrrades zu riesigem Krach anschwillt, wobei ich mir dabei vorkomme wie der fahrradfahrende Typ aus 'Mächte des Wahnsinns' und ich doch weiß, dass ich ein Hobbit bin. Wenn Schornsteine zu Raketen werden, die voller Sehnsucht in den Himmel starren, der doch so unerreichbar weit entfernt liegt.
Ein Paradoxon: seinem Fahrrad sagen, nachdem es einen wohlbehütet nach Hause gebracht hat, man liebe es, nochmal 'nen Kuss aufdrücken und es trotzdem vor dem Hause stehen zu lassen, anstatt in den sicheren, warmen Fahrradschuppen zu stellen.

10
Jan
2005

WG halt

Manchmal, muss ich eben feststellen, ist es doch ganz schön strapaziös in einer WG zu wohnen. Ich habe keine Ahnung wer es ist, aber das Bad ist seit unendlichen Zeiten gesperrt und es duscht und duscht und irgendwann ist meine Blase geplatzt...

Lasagne

Und wieder bin ich um eine Erfahrung reicher: vegetarische Tiefkkühllasagne schmeckt zwar ganz hervorragend, nachher stinkt man allerdings abartigst nach Knoblauch. Wenn ich es mir recht überlege war es die erste Tiefkühllasagne meines Lebens und die dritte überhaupt. Meine erste Lasagne aß ich bei meinem ersten richtigen Treffen mit meinem damals zukünftigen, jetzt Nichtmehr-Freund (nichtmehr-Freund klingt irgendwie besser als Ex-Freund!). Er hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Ich weiß es noch ganz genau. Er holte mich vom Stand ab (ich arbeitete beim NABU). Es war ein schöner sonniger abend. Wir fuhren mit der Bahn zu ihm und mussten noch ein ganzes Stück laufen. Ich weiß nicht mehr worüber wir sprachen. Ich weiß nicht mal mehr wie die Lasagne schmeckte... Er musste die Schildkröten seines Mitbewohners füttern. Es waren so niedliche kleine Wasserschildkröten. Ich sollte mich ganz ruhig verhalten. Er war fasziniert und belustigt von diesen Reptilien, wie sie ihr Futter wegschnabbelten. Ich war fasziniert von ihm. Wenn ich mir es im Nachhinein überlege hatte ich überhaupt kein Auge für die Schildkröten. Ich sah nur ihn. Wie sich das Licht (es war dieses typische Aquarien-, Terarienlicht) auf seinem dunkelgefärbten Haar spiegelte. Ja, sein Haar. Als er sich das erste Mal mit offenem Haar über mich beugte, dachte ich ich müsste vor Glück platzen: ich lag auf seinem Zimmerboden und es war wie ganz tief unter Wasser. Alles war unwichtig. Nur noch er und ich.
Er hat so eine ganz eigene Art seine Haare zurückzuwerfen. Das erste Mal sah ich es vor dem Dave Gahan-Konzert in Leipzig, vor dem Haus Auensee. Es wirkt fast arrogant, wie er den Kopf in den Nacken wirft um sein Haar nachher mit einem Haargummi zu fixieren. Ich habe ihm nie erzählt, dass ich ihn da zum ersten Mal gesehen habe. Und dass er mir da schon aufgefallen ist, ok, er gefiel mir... Aber als ich seine lackierten Fingernägel sah dachte ich bei mir: 'Mensch, lass mal gut sein! Das ist eine Nummer zu groß für dich.' Nebenbei bemerkt lernte ich an diesem Abend einen anderen netten, zugegeben, schon älteren Mann kennen (älter heißt soviel wie 30). Es war so ein kantig-kerniger Typ, mit unheimlich breiten Schultern und einem Kropf, der bei jedem Schluck Bier auf und ab wippte.
Nach der Lasagne gab es Vanillepudding. Ich glaube dieser Vanillepudding hat mich mehr beeindruckt als die Lasagne selber, die (was hier mal hervorgehoben werden sollte) ganz selbstgemacht war, mit irgendeiner ganz anspruchsvollen Soße.
An diesem Abend fragte er mich, ob ich mit ihm gehen wolle. Zuallererst war es ein Abenteuer, es war prickelnd, es war neu, er war interessant. Am nächsten morgen erwachte ich und das Erste was ich sah, als ich meine Augen aufschlug, war ein technisches Gerät, was blau leuchtete. Es war das Musikdingsbums, denke ich zumindest. (Ich kenne mich mit so Gerätschaften immer noch nicht besser aus.) Ich wusste nicht wo ich war. Ich lag auf einer Decke auf dem Boden. Ich setzte mich auf und mein Blick fiel auf einen bärtigen Typen, der auch auf dem Boden lag. Für einen Moment war ich etwas orientierungslos, bis ich plötzlich wusste. Und ein Strahlen ging über mein Gesicht.
Seltsam. Es tut nicht mehr weh daran zu denken. Es ist einfach schön sich daran zu erinnern.

Nachdem ich nun heute meine Gemüselasagne verdrückt hatte pumpte ich endlich den Vorderreifen meines Fahrrades auf und weil es wirklich ein hervorragendes Wetter gab und ich bei mir dachte, dass ich mich lang genug mit den Schritten zur Integration der Europäischen Union rumgeplagt hatte, fuhr ich los. Vorher ging ich allerdings noch mal hoch, um ein Buch und eine Schere mitzunehmen, damit ich unterwegs ein paar Pflanzen für mein Herbarium sammeln könnte. Es war eine wunderschöne Fahrt: die untergehende Sonne malte den Himmel rosa, orange und blau. Der Himmel malte den Fluss mit rosa, orange und blau. Ich kam an einem Hafen vorbei und hatte Lust auf einem Boot anzuheuern.
Es wurde rasend schnell dunkel. Es war nicht die tiefe Schwärze mit der sich die Nacht einhüllt. Es war die Dunkelheit, die blind macht. Entgegenkommende Fahrradfahrer waren erst im letzten Moment auszumachen, der Fluss roch intensiv.
Als ich dann doch Heim kam und mein Fahrrad einstallen wollte, war kein geringerer als der Fahrrad-Typ aus dem Haus im Fahrradkeller. Er war gerade dabei seinen Platten zu beheben, den er sich irgendwo an der Elbe zugezogen hatte. Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Er wird Tischler, kommt ursprünglich aus Görlitz, lebt seit Oktober hier. Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten: über unser Lehrgeld, unsere Familien (er hat viele Geschwister), unsere Zukunftsvorstellungen (wir können uns beide nicht vorstellen jemals wirklich in unseren Lehrberufen zu arbeiten), aber weder er noch ich haben nach dem jeweilegen Namen gefragt (er fragte mich sogar, wo ich im Haus wohne). Ich weiß seinen namen sozusagen immer noch nicht. Ach, manchmal ist es schon komisch! Aber meistens ist es schön komisch.

9
Jan
2005

...

Oh, ich hatte schon nicht mehr dran geglaubt, aber wie's eben so ist, wenn man es am wenigsten erwartet passieren doch manchmal so Sachen. So Sachen eben, die schon fast in Vergessenheit geraten sind, und die dann doch eintreten. Jedoch so eintreten, wie man es gar nicht erwartet hat: Ich hatte Bernhard schon vor geraumer Zeit um die Nummer von dem jungen Mann gebeten, der der beste Kumpel von dem 'tollen Typen' (Stichwort Sylvester!!!) ist. Bis jetzt hatte sich nichts getan. Bis jetzt: durch Zufall kam ich gerade an meinem Handy vorbei, auf welches ich auch mal drauflunschte und hoppeldihopp, eine Kurzmitteilung. Unbekannte Nummer... Na, wer hätte das gedacht?! Der Herr persönlich gibt sich die Ehre. Irgendwie, ach, das ist schon nett. Ich meine, das war jetzt wirklich überraschend.

Wege

Die Sonne strahlte aus einem beinahe unnatürlich blauen Himmel. Ich ging und dachte daran, wie frisch und klar die Luft hier drausen ist. In meinem Rucksack befanden sich jegliche Bilder, die ich benötige um meine Pflanzenbeschreibungen fertig zu stellen, zudem drei Tonblumentöpfe für die Minibambusstauden, die schon geraume Zeit auf meinem Schuhschrank dahinwegetieren, so noch ein bisschen Kram und nicht zu vergessen eine Luftpumpe für den matschigen Vorderreifen meines Fahrrades.
Ich war viel zu früh an der Bushaltestelle. Ich hasse das eigentlich und krame dann meistens ein Buch, oder meine Lernkarten aus der Tasche hervor. Nicht so heute. Ich stand einfach da und genoss noch einmal die nachmittägliche Sonne, wie sie schon im Vergehen über die Hausdächer des Ortes, wo ich aufgewachsen bin, streifte. Als der Bus kam stieg ich ein und wollte beim Busfahrer eine Einzelfahrt verlangen. Ich machte den Mund auf, die ersten Töne wollten schon entwischen, da grüßte der Busfahrer so herzlich nett mit einem 'Guten Tag', dass ich erstmal etwas bedröppelt dastand, mein Mund zuklappte und ich plötzlich selbst über mich loslachen musste. Als ich nach einem gelachten 'Guten Tag' meine Fahrkarte gekauft hatte, setzte ich mich entgegen meiner Gewohnheit auf die vorletzte Bankreihe und blickte aus dem Fenster. Im Stillen verabschiedete ich mich von den Feldern, den Hügeln, den einzeln dastehenden Häusern und Gehöften und richtete mich in Gedanken wieder auf die Stadt ein. Der Bus wurde im Laufe der zeit immer voller. Es stieg ein junger Typ zu, der sich hinter mich setzte. Er sah weder besonders gut, noch besonders schlecht aus, auch nicht auffällig. Er roch süß, vielleicht nach Kokos, ich konnte es nicht erschnüffeln, obwohl ich mir Mühe gab es zu benennen. Es roch auch noch nachdem er ausgestiegen war.
Als ich ausstieg fuhr meine Bahn gerade ab, also entschied ich mich für's Laufen. Die Sonne war unterdessen versunken, die Luft verpestet mit Autoabgasen.
Ich genoss die Kälte, die sich an meine Wangen schmiegte und nach meinen Händen griff. Orte, Straßen, Plätze kreuzten meinen Weg. Mit einigen verbinden sich Erlebnisse, Personen, Gefühle. Einmalige, nicht widerkehrende Dinge, an welche man sich jedoch urplötzlich erinnert fühlt. Als ich meine Ausstiegshaltestelle zu Fuß erreicht hatte, kam auch gerade die Bahn um die Ecke gerattert.
Ich bog auf meine Straße ab, das haus kam in Sicht und ich freute mich.

7
Jan
2005

was ich erzählen wollte:

Den halben Tag habe ich überlegt, wie ich es formuliere, was sich hier hoffentlich gleich auf dem Bildschirm präsentieren wird. Nur leider finden sich nicht wirklich die richtigen Worte für das was mir heute widerfahren ist. Es war in der Schule. Seitdem ist eine Menge Zeit vergangen. Ich habe weiterhin am Unterricht teilgenommen, dann bin ich mit einem Umweg nach Hause gefahren: ich musste noch Einstreu für den Meerschweinkäfig holen. Dazu war ich in der Stadt, um genauer zu sein im dm-Markt in so'ner verschrobenen Schicki-Micki-Einkaufspassage. Irgendwie komm ich mir da drin immer etwas seltsam vor. Glücklicherweise war nicht wirklich viel los. Und trotzdem setzte ich diesen stierigen Blick auf, der nicht nach links, oder rechts wandert und trotzdem alles mitbekommt, abscannt sozusagen. Dieser gerade Weg, genau auf das Ziel zu, keine Umwege. Dieses Konsumgehoppse einfach an einem abprallen lassen, nicht das Essen ansehen, was einen von jeder Ecke anspringt und schon gar nicht diesen süßlichen Duft unzähliger Parfums einatmen. Keinen Gedanken auf diese spinnige Springbrunnenanlage verwenden, einfach rein, an einer riesenhaften Kassenschlange anstehen, zwischendurch schon das Geld startklar machen (die Plastiklasche der Einstreuverpackung reist), bezahlen und widerum mit diesem stieren Gesichtsausdruck nach draußen gehen.
Irgendwann zu Hause angekommen, machte ich mir erstmal einen Kaffee mit viel Milch, einer Tüte Zucker, vier Löffel Kakao und nicht zu vergessen (der Feier des freitags wegen) Milchschaum. Dieses Heißgetränk schlürfte ich dann vor offener Balkontür, das Buch 'Die Unberührten' lesend (übrigens ein ausgezeichnetes Werk von Roland Schneider). Und gegessen habe ich, nachdem ich mich mit meinem besten Freund für heute abend bei ihm zum Film kucken verabredet habe. Oh, es gab was total sehr leckeres! Ich habe einfach alle Reste, die ich noch hatte in eine Pfanne gehauen und am Ende kam so ein hervorragendes Essen dabei raus, dass ich mir nicht erklären kann, wie das überhaupt passieren konnte. Vielleicht sollte ich demnächst immer ein wenig mehr Kreativität beim Essen walten lassen als bisher!
Naja, und nun sitze ich hier (das Meerschwein raschelt in seinem frisch geputzten Käfig in ganz frischem Heu vor sich hin) und weiß immer noch nicht genau wie ich es schreiben soll. Meine Mutter musste es sich sogar schon anhören. Also, ich sage es mal so, wie ich es meinem Klassenkameraden erzählt habe, der mir kurz nachher über den Weg lief: 'Ich habe einen Gott gesehen.' Ja, das habe ich gesagt. Er kam aus dem gegenüberliegenden Zimmer, als ich aus meinem Klassenraum trat. Er ging die Treppe auf seiner Seite hinunter und ich die meinige. Ich sah ihn und die Erde hörte für ein Müh auf sich zu drehen. Als ich auf Toilette in den Spiegel blickte sah mir ein Mädchen mit großen, staunenden Augen entgegen. Es sah aus, wie als ob sie zum ersten Mal einen Vogel hätte singen hören, oder eine Blume gesehen (was schwerlich zu behaupten ist, denn dieses Mädchen ist gerade dabei Zierpflanzengärtnerin zu werden).
Nachher, als ich wieder unser Zimmer betrat, meinte ein anderer Mitschüler ich hätte mich mal sehen sollen, wie ich gerade rein kam: strahlend, beschwingt, fast wie ein bisschen schwebend.
Und irgendwie, ich weiß selbst nicht wie, muss ich den ganzen Tag still vor mich hingeleuchtet haben, so kommt es mir jedenfalls vor, bis jetzt. Das nächste was ich aß (nach dieser Begegnung) war ein Apfel. Ich habe die Kerne dieses Apfels aufgehoben. Ist das komisch, oder so?! Ach Quatsch, das ist nicht komisch, vielleicht ein bisschen seltsam, vielleicht ein bisschen anders, einfach schön, einfach ich!
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