13
Jan
2005

Schulweg

Einer miener Mitschüler, den ich mit zu einem meiner engsten Vertrauten zähle, und ich saßen heute nachmittag abgekämpft vom Schultag in der Straßenbahn Richtung Stadt (ich weiß nicht, vielleicht sind 'Grüne Schulen' immer mehr am Stadtrand gelegen...). Da meinte er plötzlich er wüsste nicht wohin sich orientieren: zu welcher Art von Leuten. In einer Klasse ist es ja nunmal immer so, dass es die absolut angesagten, die eher weniger angesagten und die Marsianer gibt. In diesem Fall teile ich mich in die Gruppe der Marsianer ein: ich schreibe gute Noten, ich hänge in den Pausen nicht draußen auf dem Gang rum, ich renne auch nicht jede freie Minute auf den Hof um den Rauchern beim Rauchen Gesellschaft zu leisten, ich hole mir noch nicht mal'nen Kaffee an diesem scheußlichen Kaffeeautomaten. Ich bin einfach da, werde akzeptiert (denke ich zumindest), lese in den Pausen informative Zeitschriften, versuche meine Banknachbarin von der totalen Kapitulation aufzuhalten, quatsche mit meinen hinteren Bankmännern über Gott und die Welt, sehe aber den Zweck des Schulbesuches immer noch in der Erlangung wichtiger theoretischer Kenntnisse, die die praktische Berufsausbildung komplettieren sollen. Dieser Junge gehört zu denen, die hinter mir sitzen.
Über seinen Banknachbarn würde behauptet werden er wäre schwul. Er möchte nicht immer nur drinnen im Zimmer rumsitzen, weshalb er heute mal mit auf den Gang gegangen wäre. Da wäre ihm selber schon aufgefallen, dass er seltsame Sprüche gemacht hätte und das die anderen beiden aus unserer Klasse sich eigentlich nur über ihn und andere lustig gemacht hätten, so auch über seinen Banknachbarn.
Ich glaube jeder kennt die Phasen, in denen man einfach anders sein will, sich umorientieren, in eine andere Richtung entwickeln, schlicht einfach zu den Angesagten gehören (insofern man gehört nicht dazu). Mich selbst konnte ich lange Zeit selber in die Gruppe der weniger angesagten einordnen. Unterdessen würde ich mich eher als Marsianer bezeichnen. Man wird akzeptiert und nach seiner Meinung gefragt (ja und wenn mal nicht, dann sagt man sie halt ungefragt), man bindet sich selber nicht mehr in irgendeine Gruppierung ein und wird manchmal schräg, oder verwundert angesehen. Nicht, dass ich nie Probleme damit gehabt hätte nicht zu den Highlights der Klasse zu gehören! Unterdessen ist mir aber bewusst geworden, dass ich meine Zeit mit den Menschen verbringen möchte, bei denen ich mich wohl fühle, mit denen ich ungeniert quasseln kann, die über meine Witze lachen, bei denen ich auch mal schlecht drauf sein kann, die mich aber immer wieder ins Leben zurückholen. Und wenn das halt unangesagte, oder Marsianer sind, dann sind sie es halt. Und sollte der Typ schwul sein, mein Gott, dann ist er es halt. Wird er deshalb ein anderer Mensch???
Das sagte ich ihm dann auch so, oder so ähnlich. Mal sehen was er draus macht.

In dieser Bahn sah ich heute auch einen jungen Mann. Er saß so, dass ich sein Gesicht sehen konnte. Er hatte kurzes krauses Blondhaar und eine Brille auf und kuckte ab und zu verstohlen in seinen Hefter, den er aus einem blauen Rucksack gefischt hatte. Ihm gegenüber saß ein Mann mit einem Kind (das Kind war vielleicht drei). Der Mann beschäftigte sich zugegeben sehr intensiv mit dem Kind, auf jeden Fall so, dass mir es sogar auffiel (obwohl mir solche Sachen sonst extrem egal sind, so Sachen mit kleinen Kindern, außer sie brüllen rum). Aber dem jungen Mann mit dem Hefter schien es zu gefallen, denn er sah den beiden zu und lachte. Das machte mich aufmerksam. Überhaupt schien der Typ ein aufmerksamer Beobachter zu sein: ein- und aussteigende Fahrgäste, die Umgebung die draußen vorbeischoss und immer weiteten sich seine Augen, wenn er etwas für sich verwunderliches sah. Er erinnerte mich sehr an mich. Leider stieg er mit meinem Mitschüler aus.
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